Die Beziehungen Christophs von Talkenberg zu Löwenberg

Dr. Hermann Wesemann

 

Der Ritter Christoph von Talkenberg hat erst seit dem Jahre 1480 nachweisbar direkte Beziehungen zur Stadt Löwenberg. In diesem Jahr nahm er das Dorf Welkersdorf, das vor 11 Jahren seinem Bruder Bernhard abgesprochen und der Stadt Löwenberg übereignet war, gewaltsam wieder in Besitz.

 

Bernhard von Talkenberg „uffim Talkenstege gesessen“ gehörte zu den adligen Herrn, welche die Zeit, in der die Könige Matthias und Wladislaus um den Besitz Schlesiens stritten, zu allerhand Gewalttätigkeiten gegen diejenigen benutzten, mit denen sie in irgendwelche Meinungsverschiedenheiten geraten waren. So hatten auch seine Nachbarn, die Löwenberger Gemeinde und Einzelne, Grund sich über ihn zu beschweren. Als König Matthias Anfang Februar 1475 in Schweidnitz Gerichtstag hielt, um Klagesachen auf den Fürstenthümern Schweidnitz-Jauer entgegenzunehmen und zu entscheiden, brachte auch die Stadt Löwenberg verschiedene Klagen über Bernhard von Talkenberg vor, unter anderem „daß er einen Wagen mit darin versteckte Fußknechten in die Stadt geschickt habe, etliche in der Stadt zu fangen und wegzuführen! In den nächsten Tagen wurde dieses gemeingefährliche Treiben noch schlimmer. Der König selbst beschuldigt ihn, daß er den Talkenstein wieder ihn (den König) auch gemeinen Landen zum Schaden befehligt, daraus eine gute Zeit heimlich und öffentlich mitsamt seinen Helfern und Genossen geraubt, gebrannt und Mörderei getrieben, auch sich gegen ihn (den König) ungetreulich gehalten habe. Daher hielt es Matthias, nachdem er sich mit seinem Nebenbuhler Wladislaus dahin verständigt hatte, daß er selbst Schlesien, dieser Böhmen befiehlt, für nötig, unter den Fehden gründlich aufzuräumen. So rückte eine Schar Ungarn, die Matthias zunächst zu andern Zwecken verwandt hatte, unter seinem Feldhauptmann Zeleng??? im Frühling 1479 vor den Talkenstein, wo Bernhard v. Talkenberg noch am 3. Oktober 1478 eine Urkunde ausgestellt hatte (gescheen uffim Talkenstein. Pol. 177a), und nahm die Burg in wenigen Tagen ein. (Es soll das am 1. Mai geschehen sein.) Dann ordnete der bevollmächtigte Rat des Königs Matthias, Georg von Stein, die gänzliche Zerstörung des Talkensteins an (am 26. Mai), an der sich auch die Löwenberger beteiligen mußten. Diese hatten nicht nur die Freude, die ihnen so lästige Raubburg fallen zu sehen, sondern auch die, des Landschädigers Besitz in ihr Eigentum übergehen zu sehen. Am 10. Juli 1479 schenkte der König den Grund und Boden der niedergerissenen Burg mit Zubehör, Wäldern und Vorwerken, samt dem Dorfe Welkersdorf, das auch dem Talkenberg gehörte, der Stadt Löwenberg, und zwar zu ewigen Zeiten erblich und ewiglich! Persönlich scheint dem Bernhard v. Talkenberg nichts geschehen zu sein.

 

Der Bruder dieses Bernhard ist Christoph von Talkenberg, der in Böhmen zu einer hochbedeutenden Stellung gelangte. Er stand mindestens seit 1470 im öffentlichen Leben. In diesem Jahre soll er vorgehabt haben, für König Matthias 4-500 Reisige zu werben. Als nach dem Tode des Königs Georg Podiebrad (1471) in Böhmen der polnische Königssohn Wladislaus aufgestellt war, schloß sich Christoph diesem an und brachte es in seinem Dienst zu hohen Ehren. Er tritt zunächst als Heerführer auf, dann aber als Bevollmächtigter des Königs bei Verhandlungen. So schon 1477, wo er Hauptmann Cristoff Talkenberg zum Talkenstege genannt wird, in demselben Jahre bezeichnet ihn Wladislaus als seinen Rat und gesandten. Im J. 1480 war er Landeshauptmann in Glogau, 1490 nahm er die Huldigung von Städten des Glogauschen Fürstentums für Wladislaus entgegen, als dieser nach Matthias Tod auch Herr von Schlesien geworden war. In dem Glogauschen Kriege 1488 befehligte er eine böhmische Abteilung und geriet bei dem Gefecht in der Nähe Bunzlaus verwundet in Gefangenschaft. Er war Mitbelehnter von Welkersdorf, hatte aber seinen Sitz auf dem (jetzt in Trümmern liegenden) Schlosse Damin??? (Da???), südöstlich von Gabel??? im nördlichen Böhmen (So heißt er schon 1488: Cristoff Talckenberg uffem Diben). Dieser Mann offenbar weit reichende Verbindungen, die er benutzte, um seine Familie wieder in den Besitz ihres verlorenen Gutes zu bringen. Er muß auch am Hofe des Königs Matthias mit Erfolg tätig gewesen sein, denn noch zu Lebzeiten des Matthias, am Montag nach Valentin (= 15. Febr.) 1490 schrieb der Vertreter des Königs, der Landeshauptmann Georg von Stein, an den sicher nicht wenig überraschten Rat von Löwenberg: der König habe ihm schriftlich anbefohlen, den Löwenbergern zu schreiben und zu befehlen, das Dorf (Welkersdorf) Talkenburgen wieder zu geben, sie sollten daher das Dorf abtreten und räumen. Die Stadt hat sich sicher nicht be…, diese der ihr früher erteilten Urkunde so geradezu widersprechenden Befehl auszuführen, aber die Sachlage gestaltete sich für sie aussichtslos, als wenige Wochen darauf (5. April) König Matthias starb und Wladislaus ihm auch in Ungarn und Schlesien folgte, jener Wladislaus, der den Talkenbergern günstig gesinnt sein mußte. Da wartete dann das angeschGlieg der Familie, Christoph, nicht erst ab, daß ihm die Löwenberger die Güter gutwillig herausgaben, sondern bemächtigte sich mit Gewalt des Dorfes und Gutes Welkersdorf und hielt es nun fest. Die Löwenberger suchten nun mit ihm selbst Verhandlungen anzuknüpfen, aber der Ritter ließ sich nicht darauf ein und verwies sie an den König. Da wendete sich die Stadt mit einer kläglichen Bittschrift an den König, wenn er nach Schlesien käme, die Sache selbst in die Hand zu nehmen, er möge den Talkenberg anweisen, bis zum Austrag der Sache, ihnen das Dorf wieder einzuräumen, oder, wenn Talkenberg das nicht wolle, es wenigstens dem Kgl. Anwalt einzuräumen. Sehr nachdrücklich betonte der Rat sein verbrieftes Recht, aber der Ton ist doch sehr Kleinlaut, und nach der Lage der Dinge war auch gegen den in der Gunst des Königs Stehenden nicht zu erreichen. Der König hat die Sache nicht in die Hand genommen; die Löwenberger aber mußten endlich zu der Erkenntnis kommen, daß gegen den mächtigen Günstling nichts auszurichten, daß ein Vergleich mit den Talkenbergern noch das beste Auskunftsmittel sei. Sie scheinen sich aber sehr lange besonnen zu haben, ehe sie sich dazu entschlossen. Zum Vermittler ersahen sie sich erst im Jahre 1491 einen angesehenen Geistlichen, Andreas Bottner???, Dechant zu Neiße und Kantor zu Liegnitz, einen geborenen Löwenberger, der sich auch der Aufgabe unterzog und sich mit Christoph v. Talkenberg setzte. Dieser brauchte wohl über den Ausgang der Verhandlung nicht im Zweifel zu sein und zeigte am Martinstage (17. November) 1491 von Greiffenstein aus in einem eigenhändigen Schreiben, das er „Crystoff von Talkenberg offim Deben gesessen“ unterzeichnet (Pol. 232a), dem Dechanten Bottner??? an, daß er sich am Tage vor Clemens (= 22. Nov.) in Greiffenberg einfinden werde. Dort erschienen auch die Vertreter der Stadt, an ihrer Spitze der zeitige Bürgermeinser Bartel Hollenstein, mit einigen der Schöffen und Handwerksältesten, und am 24. Novb. gelangte der Vergleich zum Abschluß. Aller Zwist sollte abgetan sein, die Herren Christoph und Bernhard Talkenberg samt ihren Erben sollen das Dorf Welkersdorf mitsamt den Vorwerken in der Ausdehnung, wie es ihre Vorfahren gehabt, wieder inne haben, die Löwenberger es ihnen wieder abtreten und vor dem Landeshauptmann auflassen. Dafür, daß die Stadt Jahre lang Nutzen aus dem Besitz gezogen, soll sie den Talkenbergern 400 gute Ungar. Gulden zahlen. „Cristoff Talkenbergk uffim Deben gesessen“ für sich und von wegen seines Bruders Bernhard und in Vollmacht seiner Erben und „Cristoff Talkenbergk der junge zur Strawzenik“ als würdig für sich, er und auch in Vormundschaft seiner Geschwister erkannten durch eine besondere Urkunde diesen Vergleich an, der auch darauf in Beisein beider Parteien vor dem Landshauptmann Her..? Kap…??? von Teschen und Gr. Glogau bestätigt wurde (17. Dezemb. 1491). Die Schenkungsurkunde des Königs Matthias mußte Löwenberg ebenfalls zur Kassation wieder ausliefern; es ist davon jetzt nur eine Kopie vorhanden, welche dem Konzept der Vorstellung an König Wladislaus angefügt ist.

 

Trotzdem die Stadt hatte vollständig nachgeben müssen, waren doch noch nicht alle Streitpunkte erledigt. Über die „Waldhufe“ (Ist das Recht im Stadtwalde Holz schlagen zu dürfen) war noch keine völlige Einigung erzielt. Schließlich wandte sich der Löwenberger Rat wieder an den Dechanten Bottner??, der sich auch diesmal dazu bereit erklärte und mit Christoph v. Talkenberg in Verhandlung trat (Herbst 1493). Christoph, der jetzt auch im Namen seiner Neffen, Christoph, Bernhard und Balthasar handelte - sein Bruder Bernhard war also inzwischen gestorben - erklärte sich brieflich geneigt, deswegen nach einem …? Löwenberger zu kommen. Aber erst am Sonntag nach Ostern (6. April 1494) fand die Zusammenkunft und zwar wieder in Greiffenberg statt. Man einigte sich in der Weise, daß die Besitzer von Welkersdorf das Recht haben sollten, unter Beobachtung gewisser Bedingungen Bau- und Brennholz für ihren Bedarf schlagen und ebenso unter gewissen Vorsichtsmaßregeln ihr Vieh in dem Walde weiden zu lassen, wogegen die Talkenberger der Stadt zusagten, ihr alle alten Wege über „das Hasenstück oder Hasenfeld“, die in den Wald über Talkenbergschen Besitz führten, zu gestatten, und sollte die Stadt keine neuen Wege anlegen. Nachdem die Vergleichsurkunde endlich in Löwenberg am 15. September 1495 (Dienstag nach Kreuzerhöhung) ausgefertigt war, waren alle Streitpunkte befriedigt; es meldet wenigstens keine Urkunde weiter etwas von Zwistigkeiten zwischen der Stadt und den Talkenbergern auf Welkersdorf. Der Talkenstein blieb Ruine.

 

Im Jahr 1499 gestattet „Cristoff Talkenberg czu Welkersdorff gesessen und erbherre zu Rademaßdorf“ (Radmannsdorf), daß einer seiner Bauern in Radmannsdorf von der Kirche zu Lauterseiffen ein Kapital aufnimmt. Ob das der bisher behandelte Christoph oder schon sein gleichnamiger Neffe ist, dürfte schwer zu entscheiden sein. Wernicke hält ihn für den älteren, was ich dahin gestellt sein lasse, da man bei diesem doch eher Debin?? als Wohnsitz genannt zu werden erwartet. Unser Christoph hatte auch mit den Görlitzern manchen Handel. Er wurde ihnen dadurch unangenehm, daß er in der Klitschdorfer Heide, die er mit Erlaubnis seines Gönners, des Königs Wladislaus, erworben hatte, sich einen „Taler/Tabor???, ein ..mark?, erbaut hatte, von wo aus er die Straßen belästigte, bis das durch einen Vergleich abgestellt wurde. Im Jahre 1511 verkaufte er (nach Wernicke) seine böhmische Besitzung Da..? und wandte sich wieder nach schlesien, doch scheint seitdem nichts weiter von ihm bekannt zu sein; selbst das Jahr seines Todes scheint nicht festzustehen; es wird 1516 angenommen - worauf sich aber diese Annahme stützt, habe ich noch nicht erfahren können. Es ist wohl in hiesiger Gegend gestorben, da er sich in der Franziskanerklosterkirche zu Löwenberg hat begraben lassen.

 

Beiläufig bemerke ich noch, daß nach Wernicke (Wanderer im Riesengebirge No. 70 S. 194) dieser Christoph der Vater des Rampold??? von Talkenberg ist, der 1550-1563 das Schloß Plagwitz er…??? und noch 1576 lebte. Als dessen Tochter bezeichnet Wernicke die Magdalena von Talkenberg, die dem Kasper v. Schaffgotsch heiratete und deren Grabstein jetzt an derselben Wand mit dem Christophs steht. Diese wäre danach die Enkelin Christophs. Ob aber diese Ansätze richtig sind? die ih??? Verhältnisse lassen manche Bedenken dagegen laut werden. Christoph muß zwischen 1440-1450 geboren sein, Magdalena ist aber erst 1566 oder 1567 geboren, da sie ja 1605 im 39sten Lebensjahre gestorben ist. Ich habe indessen zur Zeit kein Material, diese Frage zu entscheiden.

W.

Am 25.03.1885 schrieb der Löwenberger Bürgermeister Marzahn an den Magistrat der Stadt „Da unsere Stadtchronik von Sutorius bereits über 100 Jahre alt ist, so erscheint es gewiß wünschenswerth, eine neue Chronik, welche den wissenschaftlichen Anforderungen entspricht, …erarbeiten zu lassen …“ und schlug dafür Dr. Hermann Wesemann vor. Der Magistrat befürwortete diesen Vorschlag und Wesemann teilte am 12.04.1885 schriftlich mit, „daß ich mich entschlossen habe den Versuch zu machen, diesem Wunsche zu genügen“. Viele Jahre hat sich Wesemann intensiv mit der Geschichte Löwenbergs auseinandergesetzt, vor allem mit den Löwenberger Urkunden, aber bevor er seine Forschungen in Schriftform zusammentragen konnte, starb er am 23.10.1910. Den vorstehenden Aufsatz hat Wesemann für diese Chronik verfasst; er befindet sich in den Akten des Magistrats Löwenberg (Staatsarchiv Hirschberg / Jelenia Góra) unter der lfd. Nr. 20 = Die Anfertigung einer neuen Stadtchronik 1885-1931.