Die Stadtbücher und Urkunden der Stadt Löwenberg in Schlesien

 und die damit verbundene Frage nach der Verleihung des Stadtrechts

 

Das Archiv im Rathaus und die Übergabe an das Staatsarchiv in Breslau

Schon in alten Zeiten erkannten die Löwenberger Stadtväter den Wert der stadtrelevanten  Aufzeichnungen und wollten diese möglichst gut schützen. So wurde das Löwenberger Rechtsbuch - das älteste Stadtbuch, das so genannte „rote Buch“ - (1a) Mitte des 16. Jahrhunderts in einem Kasten im Rathausturm aufbewahrt; davon erzählt uns die Mitteilung, die sich am Ende des Buches befindet und über einen Blitzschlag am 18. Mai 1540 berichtet, bei dem der Kasten so getroffen wurde, dass das Buch vor dem Kasten lag und einigen Schaden genommen hat.

 

Die Anlage eines Archivs wurde der Stadt Löwenberg am 3. November 1629 durch Hainrich Freiherr von Bibrau, Herr auf Modlau und dem Burglehn Jauer, befohlen (2a), der in seinem Brief schrieb, dass „der Statt Privilegia, Protocollen, Registern undt andern Reposituren, so auffm Rathhause zu Lewenberg sich befinden, zusamben gelesen, in ein sonderliches Gemach doselbst verwahret, undt dasselbe gebührlich versiegelt“ werden sollte (d. h., dass die Privilegien, Protokolle, Register und andere Unterlagen der Stadt, sie sich auf dem Löwenberger Rathaus befinden, zusammen getragen, in einem gesonderten Raum daselbst verwahrt, und dieser entsprechend verschlossen werden sollte). Außerdem legte er fest, dass diese Privilegien, Bücher, Register und was sonst dazu gehörte, in ein Inventar verzeichnet werden sollten, das mit Siegeln und Unterschriften versehen ihm zuzustellen war; ein weiteres, gleich lautendes Inventar, ebenfalls gesiegelt und unterschrieben, sollte der Stadtrat verwahren.

 

Kurz darauf hat das neu geschaffene Archiv sehr gelitten, denn Sutorius (3, S. 266-267) teilte mit, dass die schwedische Armee am 24. September 1642 die Stadt Löwenberg erstürmte und plünderte; das Rathaus wurde aufgebrochen und „das Archiv eröfnet, alle daselbst befindlichen Urkunden, Bücher und Register wurden theils zerrissen, fortgeschleppt oder herausgeworfen.

 

Welche Verluste das Löwenberger Archiv an diesem Tag tatsächlich erlitten hat, lässt sich heute nicht mehr feststellen, denn von dem vorher aufgestellten Inventar liegt uns keine Abschrift  vor.

 

Nach Übernahme Schlesiens durch Friedrich den Großen sollten sämtliche Städte Schlesiens und damit auch die Stadt Löwenberg aufgrund eines Briefes vom 16. November 1745 (2b)  „die bisherige Rath Häußliche Verfaßungen untersuchen, nach befinden verbeßern und in gegenwärtigen darüber angefertigten Reglement festsetzen laßen …“. Daraufhin wurde 1747 ein Repertorium (= Verzeichnis) (2c) erstellt und der Königl. Preuß. Glogau. Krieges- und Domainen-Cammer zugesandt, das unter Punkt 2 folgenden Wortlaut enthielt:

„Von denen Privilegiis der Stadt und deren Gerechtigkeiten:

Die Original Privilegia wie solche eintzeln auf Pargament mit anhängenden Siegeln vorhanden, sind sambt einem Buche, worinnen sie sämbtl. eingetragen und mit anhängenden großem Kayserlichen Siegel zusammen confirmirt worden, in einem Schrancke rechter Handt im Thurm verschloßen. Hier aber unter dieser Numer ein Copiarium da von befindlich.“

(Von den Privilegien der Stadt und deren Gerechtigkeiten:

Die Original Privilegien, wie sie einzeln als Urkunden mit angehängtem Siegel vorhanden sind, wurden samt einem Buch, worin sie alle eingetragen und mit angehängtem, großen, kaiserlichen Siegel gemeinsam bestätigt wurden, in einem Schrank rechts im Turm eingeschlossen. Hier aber unter dieser Nummer ist eine Kopie davon enthalten.)

 

Von nun an lassen sich die Urkunden-Bestände des Löwenberger Archiv nachvollziehen, denn sie wurden chronologisch geordnet und neu verzeichnet. Wesemann (4a) hinterlässt uns 1885 eine genaue Beschreibung der beiden relevanten Bestandsverzeichnisse:

 

„Einen Überblick über das gesamte Material geben zwei auf der Magistrats-Registratur befindliche Repertorien.

 

Das ältere ist um die Mitte des vorigen Jahrhunderts (= 18. Jahrhundert) angefertigt - die letzte darin verzeichnete Urkunde ist aus dem Jahre 1750 - und ist jetzt durch die Vereinigung mit dem Verzeichnis der neueren Urkunden (mit 1755 beginnend) und das Dazwischenbinden einer großen Anzahl leerer Blätter zu einem stattlichen Bande geworden. … Es verzeichnet zuerst unter der Rubrik „Politica“ 389 Nummern von 1261-1750, welche Zahl aber keineswegs der Stückzahl entspricht, da mehrfach Stücke zu einer Nummer gehören.“

 

 

In den Magistratsakten der Stadt Löwenberg sind Abschriften dieser beiden Repertorien enthalten (2d), von denen mir Kopien vorliegen. Es handelt sich dabei jeweils um Kurzbeschreibungen der Urkunden; das ältere Verzeichnis beinhaltet nur die dazugehörige Jahreszahl, das zweite Verzeichnis mit insgesamt 317 Aktennummern wurde mit dem ganzen Ausstellungsdatum versehen.

 

Wesemann (4a) teilte außerdem mit, dass sich 1885 die Zahl der im städtischen Archiv aufbewahrten Urkunden bis zum Jahr 1750 auf über 600 Stück belief, von denen fast 400 der Zeit vor 1500 angehörten.

 

Das Interesse an den im Löwenberger Archiv verwahrten Urkunden und Stadtbüchern war über lange Zeit sehr groß. Bereits für die 1794 herausgegebene Geschichte von Löwenberg hat Sutorius (3) überwiegend dort recherchiert. In den Jahrzehnten um 1900 war die Forschungstätigkeit am stärksten ausgeprägt und hat uns einige wichtige Ausarbeitungen hinterlassen, von denen ich später noch berichten werde. Auch seitens des Staatsarchivs in Breslau erhielt das Löwenberger Magistrat Anfang des 20. Jahrhunderts wiederholt Anfragen, bestimmte Urkunden sowie das „rote Buch“ zu entleihen (2e).

 

Im Sommer 1905 kündigte sich der Archivrat Meinardus in seiner Eigenschaft als Direktor des Königlichen Staatsarchivs in Breslau an (2e), um das Archiv in Augenschein zu nehmen. Dem späteren Schriftverkehr des Magistrats können wir entnehmen, dass der Magistrat der Stadt Löwenberg im Jahr 1906 dem Breslauer Staatsarchiv (das im selben Jahr seinen Neubau beziehen konnte) Löwenberger Unterlagen als Depositum (= Dauerleihgabe) übergeben hat. Vorerst handelte es sich dabei um die Urkunden des älteren Repertoriums bis zum Jahr 1750 (2d) sowie bei den Stadtbüchern um das „rote Buch“ und das „Kopialbuch“ (5a). Die Urkunden ab 1750 und das „Privilegienbuch“ waren noch 1912 im Löwenberger Archiv; wann sie dem Depositum hinzugefügt wurden, konnte nicht ermittelt werden, aber 1922 teilt der Magistrat dem Staatsarchiv mit, die noch vorhandenen Urkunden zur Durchsicht übersenden zu wollen.

 

1911 erhält der Magistrat aus dem Breslauer Staatsarchiv „das fertige Repertorium der hier deponierten Akten“, in das auch die Löwenberg betreffenden Urkunden anderer Aktensammlungen eingeflossen sind, damit ein besserer Überblick gewährleistet wird.

 

Nachdem in den vergangenen Jahrhunderten immer wieder Verluste durch Kriege, Naturkatastrophen und Brände zu beklagen waren, sind die Löwenberger Stadtbücher und Urkunden auch im 2. Weltkrieg nicht verschont geblieben. Wiederum sind einzigartige und wertvolle Unterlagen abhanden gekommen, aber freuen wir uns vielmehr über die Tatsache, dass uns ein ansehnlicher Teil des Depositums auch heute noch zu Forschungszwecken zur Verfügung steht.

 

Das Bestandsverzeichnis im Staatsarchiv Breslau / Wrocław für das Depositum Löwenberg (1b) besteht aus Karteikarten, die die Urkunden in Regestenform wiedergeben. Es handelt sich dabei um das alte Repertorium, dem die Karteikarten der verloren gegangenen Urkunden nicht entnommen wurden, so dass zumindest aussagefähige Angaben über Urkunden vorhanden sind. Außerdem gibt es eine zweite Ausarbeitung zum Depositum in Buchform (6), bei der es sich um das 1909 aufgestellte und 1911 dem Magistrat übersandte Repertorium handelt, das auch Löwenberg betreffende Urkunden anderer Sammlungen beinhaltet.

 

Der heutige, polnische Stadtrat in Löwenberg verwahrt noch das letzte der Stadtbücher, das 1909 Franz von Wantoch-Rekowski und Helene Mandelsloh, geb. von Wantoch-Rekowski, ihrer Vaterstadt gewidmet haben.

 

 

 

Die Stadtbücher

Wer mit der Geschichte der Stadt Löwenberg in Berührung gekommen ist, kennt die Ausdrücke „Löwenberger Rechtsbuch“ und „rotes Buch“. Die Veröffentlichungen der Nachkriegszeit erwecken leider den Eindruck, dass es sich dabei um das einzige Löwenberger Stadtbuch handelt. Unbestritten ist das „rote Buch“ das älteste und wichtigste, aber es gab mindestens fünf Löwenberger Stadtbücher.

 

Die Anzahl fünf schließe ich aus der Tatsache, dass das in Breslau verwahrte Depositum (mindestens) vier Karteikarten für Stadtbücher enthielt und ich das 1909 der Stadt übergebene Buch persönlich in Augenschein nehmen konnte. Diese Aussage wird aber durch Wesemann (7) Lügen gestraft, der folgende Aussagen zu den Stadtbücher getroffen hat:

 

1. Das „rote Buch“, das offizielle Rechtsbuch der Stadt Löwenberg

2. „Copialbuch“ bzw. „Quaternus“, ein mit dem Jahr 1341 begonnenes Stadtbuch

3. „Ortel“ (Buch der Urteile), vor dem Löwenberger Schöffenstuhl verhandelte Urteile

    1461-1526

4. „Acta Jura“, vor dem Rat verhandelte Rechtsgeschäfte und Prozesssachen 1466-1498

5. „Der Stadt Lewenbergk Waldtt Chronicon“, auf den Hagendorfer Stadtwald bezügliche

    Urkunden und Aktenstücke 1582-1659

6. ohne Titel, kriminalgerichtliche Verhandlungen 1602-1615, Nachträge von 1672 und 1692-

    1693, vom Staatsarchiv Breslau als „Malefizbuch“ bezeichnet (lat. maleficium = Übeltat,

    Frevel, Verbrechen)

7. „Statutenbuch“, Sammlung von städtischen Statuten und Ordnungen Anfang des 17. Jahr-

    hunderts (bis 1616), im Anschluss daran Verzeichnis der Bürgermeister 1500-1834

8. Band der Ratsprotokolle, Dreißigjähriger Krieg 09.02.1640-21.08.1642

9. Privilegienbuch von 1659

 

Dieser Aufstellung folgend sollen nun die Stadtbücher beschrieben werden, soweit Informationen vorhanden sind.

 

 

1. Das „rote Buch“:

Das bekannteste, älteste, wertvollste und wichtigste Stadtbuch ist das Löwenberger Rechtsbuch, auch „rotes Buch“ genannt. Es wurde vielfach gelesen, bearbeitet, ausgewertet; vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die 1930er Jahre hinein diente es Forschern und Gelehrten bei ihren Arbeiten und wurde u. A. von Sutorius (3) und Wesemann (4a) genau beschrieben. Eine sehr umfangreiche Ausarbeitung verdanken wir auch Geike (8), dessen Beschreibung des Buches ich hier teilweise wiedergeben möchte:

„Es ist bekannt unter der Bezeichnung des „Roten Buches“, deshalb, weil die Farbe des Einbandes ehemals rot war. Das Rechtsbuch, im Groß-Quart-Format 255 x 205 mm, bestand ursprünglich aus 200 Pergamentblättern, jedoch sind es heute, da vier Blätter an verschiedenen Stellen des Buches herausgeschnitten worden sind, ohne dass dadurch der Text des Rechtsbuches eine Einbuße erlitten hätte, nur 196. … Das Pergament ist elfenbeinweiß, zum Teil nachgegilbt und von sehr guter Beschaffenheit. … Der alte Einband besteht aus Holzdeckeln, die mit ehemals rotem, im Laufe der Zeit braun gefärbtem Leder überzogen sind; die Blindpressung darauf zeigt Verzierungen und Schnörkel, außerdem Lilien und den schlesischen Adler. Die beiden messingenen Schließen, die Ecken und Buckel sind geschmackvoll verziert. Während die Ecken und Buckel des hinteren Deckels völlig fehlen, sind sie auf dem Vorderdeckel noch zum Teil vorhanden. Wo sie ehedem angeheftet waren, zeigt der Ledereinband jetzt rötliche Spuren, so dass man heute noch vereinzelt die ehemals rote Farbe des Ledereinbandes erkennen kann.“

 

Wer sich einen Überblick über den Inhalt neben den allgemein bekannten Angaben Sachsenspiegel, Lehn- und Landrecht sowie Privilegien der Stadt verschaffen will, kann genauere Angaben bei Wesemann (4a) und Geike (8) nachlesen.

 

Bei der Bedeutung, die das „rote Buch“ aufgrund seines Inhalts erlangt hat, ist es nicht verwunderlich, wie Jäkel (9) 1979 den mutmaßlichen Verlust des Buches beklagt: „…, so ist es doch leider - allgemein gesehen - um dieses beachtenswerte schlesische Dokument still geworden. Die Ursache dafür mag in der Tatsache zu finden sein, dass keiner der Interessenten das Werk jemals in Augenschein nehmen konnte.“ Und in seinem Nachwort heißt es: „Ich glaube nicht, dass sich das gesuchte „Rote Rechtsbuch“ noch einmal auffinden lässt. Das wird aus politischen Gründen nicht wahr werden dürfen.“

 

Glücklicherweise haben sich die Zeiten geändert und mir die Möglichkeit gegeben, im Staatsarchiv Breslau / Wrocław im Depositum der Stadt Löwenberg nach dem „roten Buch“ zu suchen. Der polnische Aktenname „księga landrechtu“ (= Buch des Landrechts) war für mich wenig aussagekräftig. Umso größer war meine Überraschung, als ich im September 2006 tatsächlich das „rote Buch“ einsehen konnte. 100 Jahre nach der Übergabe an das Staatsarchiv befand es sich wohlbehalten und in gutem Zustand genau dort, wo es seinerzeit eingeordnet wurde.

 

Fast ehrfurchtsvoll blätterte ich das Buch durch, um es mit der Beschreibung Wesemanns abzugleichen, und ich kann seinen Angaben nur zustimmen. Wenn ich auch die Erläuterungen der beiden Zeichnungen - vorne im Buch das „Jüngste Gericht“ und hinten der „Englische Gruß“ - gelesen hatte, war ich doch überrascht, wie beeindruckend diese farbigen Darstellungen sind [Abbildung des „Jüngsten Gerichts“ siehe (1c)]. Außerdem erwies sich meine große Sorge, diese Handschrift, deren Entstehung um das Jahr 1300 (3, 4a) bzw. auf die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts geschätzt wurde (4b), nicht lesen zu können, als völlig unbegründet. Die Schrift ist klar und deutlich in großen Buchstaben - nach heutiger Wortwahl würden wir sagen „wie gedruckt“.

 

Das Staatsarchiv in Breslau / Wrocław hat meine Bitte, der Löwenberger Heimatstube in Hannover eine Kopie zur Verfügung zu stellen, genehmigt und eine Digitalisierung des „roten Buches“ übersandt. Die CD-Rom und die davon erstellten Ausdrucke können in Hannover eingesehen werden (10a).

 

 

2. „Copialbuch“ bzw. „Quaternus

Wesemann bezeichnet das mit dem Jahr 1341 begonnene Stadtbuch im Jahr 1885 als „Copialbuch“ (4a), im Jahr 1906 als „Quaternus“ (7) und beschreibt es folgendermaßen (4a):

„Derselbe ist ein dünner Band in Klein-Folio (25 ½ cm hoch, 19 cm breit) in Leder, nur 15 Pergamentblätter enthaltend. Auf der innern Seite des Vorderdeckels ist das kreisrunde, 7 ½ cm im Durchmesser haltende große Siegel der Stadt aus grünem Wachs eingelassen …“

Nach umfangreicher Textanalyse zieht er das Resümee:

„Als Stadtbuch, in welches die vor dem Rat verhandelten Eigentumsübertragungen eingezeichnet werden sollten, ist das Buch angelegt gewesen, aber bald hat es diesen Charakter verloren, und wie es jetzt ist, bietet es ein buntes Durcheinander von allem Möglichen. Der Natur der Sache nach sind die verschiedensten Hände in dem Buche tätig gewesen, die Hauptmasse der Eintragungen gehört aber noch dem 14. Jahrhundert an.“

 

Das Kopialbuch (= Buch für wörtliche Abschriften) wurde im Löwenberger Depositum als laufende Nr. 2 der Stadtbücher geführt, scheint aber durch Auslagerungen des Breslauer Staatsarchivs während des 2. Weltkriegs verloren gegangen zu sein. Irgang (11) berichtet über das Wiederauffinden und den Kauf durch das Geheime Staatsarchiv in Berlin. Seine Bearbeitung des Buches, die Beschreibungen und vor allem die wörtliche Wiedergabe des gesamten Textes sind vorbildlich und lassen keine weiteren Fragen mehr offen.

 


3. „Ortel“ (Buch der Urteile)

Das „Ortel“ enthält nach Wesemann (7) „vor dem Löwenberger Schöffenstuhl verhandelte Urteile 1461-1526“. Weitere Hinweise konnte ich zu diesem Stadtbuch leider nicht finden, aber ich vermute, dass dieses Stadtbuch die laufende Nr. 3 des Löwenberger Depositums gewesen sein könnte. 

 

 

4. „Acta Jura“

Nach Wesemanns Beschreibung (7) - „die vor dem Rat verhandelten Rechtsgeschäfte und Prozesssachen im Zeitraum 1466 bis 1498“ - handelt es sich hierbei um das zweite im Staatsarchiv Breslau / Wrocław noch vorhandene Stadtbuch, das im Depositum die laufende Nr. 4 erhielt, die man auch heute noch - trotz des Fehlens der Nummern 2 und 3 - beibehalten hat.

 

Es beginnt mit einem alphabetischen Namensverzeichnis über 10 Seiten, das entsprechend der damaligen Zeit nach den Vornamen (und nicht wie später üblich nach den Nachnamen) sortiert ist. Das Buch besteht aus 120 Blättern und ist in seiner Schriftweise für mich nur schwer lesbar.

 

 

5. „Der Stadt Lewenbergk Waldtt Chronicon

Auch hier kann ich nur auf Wesemanns Kurzbeschreibung (7) zurückgreifen, in der von „auf den Hagendorfer Stadtwald bezügliche Urkunden und Aktenstücke 1582-1659“ die Rede ist. Alles Weitere über dieses Stadtbuch bleibt uns derzeit verborgen.

 

 

6. ohne Titel

Gemäß Wesemann (7) ein Stadtbuch mit kriminalgerichtlichen Verhandlungen 1602-1615 und Nachträgen von 1672, 1692-1693; da es vom Staatsarchiv Breslau als „Malefizbuch“ bezeichnet wurde, scheint es ebenfalls Bestandteil des Depositums gewesen zu sein.

 

 

7. „Statutenbuch“

Diese Sammlung von städtischen Statuten und Ordnungen vom Anfang des 17. Jahrhunderts bis 1616 sowie im Anschluss daran ein Verzeichnis der Bürgermeister von 1500 bis 1834 (7) ist ebenfalls nicht mehr erhalten. In den Löwenberger Magistratakten (2f) ist aber eine Abschrift der Statuten enthalten; die „Bürgermeister Ordnung“ endet allerdings mit dem Jahr 1820 und gibt den Hinweis „Das Original-Statutenbuch enthält die Aufstellung bis 1834“.

 

 

8. Band der Ratsprotokolle

Die Löwenberger Ratsprotokolle des Dreißigjährigen Krieges im Zeitraum vom 09.02.1640 bis 21.08.1642 (7) scheinen abhanden gekommen zu sein.

 

 

9. Privilegienbuch von 1659

Wieder zitiere ich einige Aussagen Wesemanns, der das Privilegienbuch 1887 (4b) umfangreich beschreibt:

„Dasselbe ist eine Papierhandschrift des 17. Jahrhunderts in Folio (30 cm hoch, 19 ½ cm breit, schön gebunden, mit Goldschnitt. Die Pappdeckel des Einbandes mit feinem gepressten, rötlich gefärbten Leder bezogen; die an ihnen befestigt gewesenen Lederriemen, welche zum Schließen dienten, fehlen. … Die Zahl der beschriebenen Blätter beträgt 98, welchen zwei leere vorangehen. Einen Titel oder eine Aufschrift hat das Buch nicht, es lässt sich aber am passendsten als Privilegienbuch bezeichnen, da es Abschriften der städtischen Privilegien enthält …““

 

Zu erwähnen ist noch, dass die erste Urkundenabschrift in diesem Buch die Bestätigung der städtischen Privilegien durch den Landeshauptmann Jan von Leuchtenburg aus dem Jahr 1407 ist - diese Urkunde ist Bestandteil der Streitfrage, in welchem Jahr Löwenberg als Stadt nach deutschem Recht ausgesetzt wurde.

 

 

10. Stadtbuch von 1909

Im Sommer 2007 erzählte mir der Lähner Bürgermeister Mościcki, der in der vorherigen Amtsperiode stellvertretender Bürgermeister von Löwenberg war, von einem neueren Löwenberger Stadtbuch, das sich noch vor Ort befindet. Gern bin ich dem Angebot gefolgt, das Buch selbst in Augenschein nehmen zu dürfen.

 

Wiederum handelt es sich um ein reich verziertes Buch mit Beschlägen aus (wahrscheinlich) Messing an den Ecken und dem Löwenberger Wappen in der Mitte des Frontdeckels. Auf der ersten Seite lesen wir in aufwendig verziertem, farbigem Rahmen mit dem schlesischen Adler oben links und rechts sowie dem Löwenberger Wappen oben mittig:

„Ihrer Vaterstadt widmen dieses Gedenkbuch

Franz von Wantoch-Rekowski geboren Loewenberg den 20. Juni 1851 Königl. Preussischer Kammerherr, Geh. Legationsrat, Kaiserlicher Generalkonsul u. Königl. Preuss. Major a. D.

Helene von Mandelsloh geb. von Wantoch-Rekowski geboren Loewenberg den 19. April 1853

Wiesbaden 1909“

Die Schrift ist schwarz, wobei alle großen Anfangsbuchstaben in roter Farbe geschrieben wurden.

 

Das Buch beginnt mit

„I. Überblick über die Geschichte der Stadt Löwenberg“, eine mehrseitige Abhandlung von Prof. Dr. Paul Kleber, datiert Löwenberg den 31. Oktober 1919.

„II. Bürgermeister waren“ enthält nur Angaben zu Artur Klau. Bürgermeister ab 1900.

„III. Ratsherren waren von 1900 ab“ ist mit 20 Einträgen bis zum Jahr 1924 umfangreicher. „IV. Der Landratsposten war besetzt durch“ beinhaltet 6 Personen.

„V. Es stifteten“ ist eine ansehnliche Aufstellung von 1322 bis 1921 mit insgesamt 107 Eintragungen.

„VI. In Stadt und Kreis Löwenberg geborene Männer, welche durch hervorragende Leistungen auf dem Gebiete der Wissenschaften und Künste, des Handels und Gewerbes sowie in der öffentlichen Verwaltung und im Heeresdienst, sei es in der schlesischen Heimat oder außerhalb derselben, ihrer Vaterstadt Ehre bereitet haben“ beschreibt über viele Seiten vier Personen.

Weitere Rubriken sind „Ehrengäste“ und mit verschiedenen Orden während des 2. Weltkrieges ausgezeichnete Personen.

 

Das Stadtbuch blieb nach dem 2. Weltkrieg zunächst im Rathaus, wurde dort in den 1950er Jahren als Besucherbuch benutzt und dementsprechend mit vielen polnischen Namen und Einträgen gefüllt.

 

Die polnische Stadtverwaltung hat mir eine Abschrift der Punkte I bis VI zur Verfügung gestellt und auf meine Nachfrage das Fotografieren gestattet. Eine Zusammenstellung der Informationen hat auch die Löwenberger Heimatstube in Hannover erhalten (10b).

 

 

 

 


Die Urkunden

Wie schon im Bezug auf die Bestandsverzeichnis erwähnt, gab es mehrere Hundert Urkunden, die sich auf die Belange der Stadt Löwenberg bezogen. Die schlesischen Regestenbücher enthalten eine Vielzahl davon, doch möchte ich sie an dieser Stelle außer Acht lassen, weil sich der bereits vielfach zitierte Prof. Dr. Hermann Wesemann in ganz besonderer Art und Weise um die Löwenberger Urkunden verdient gemacht hat. Er hat die Urkunden und wo die Originale fehlten, die Abschriften in den Stadtbüchern, bearbeitet und in seiner Ausarbeitung „Urkunden der Stadt Löwenberg“ (4a, b) Abschriften derjenigen Urkunden veröffentlicht, die sich „auf die Erwerbung und Entwicklung der städtischen Rechte“ bezogen, also die so genannten Privilegien. Teil 1 behandelt den Zeitraum 1217 bis 1435, Teil 2 beginnt zunächst mit 1364 (weil zwischenzeitlich ein weiteres Stadtbuch gefunden worden war), schließt dann aber im Jahr 1438 an und wird fortgeführt bis 1549. Nach dieser umfangreichen Veröffentlichung hat Wesemann für eine wissenschaftliche Bearbeitung der Löwenberger Geschichte weitergesammelt, die er aber leider nicht mehr schreiben konnte. Nach seinem Tod am 23.12.1910 haben sich Kleber und Ennen Wesemanns Nachlass  angenommen und in seinem Namen die „Regesten zur Geschichte der Stadt Löwenberg“, wiederum in zwei Teilen (5a, b), herausgegeben; Teil 1 beinhaltet die Jahre 1217 bis März 1489, Teil 2 beginnt im Juni 1489 und endet im September 1750. Der Umfang des Materials hat Kleber und Ennen dazu bewogen, sich im Gegensatz zu Wesemanns veröffentlichten Urkundenabschriften nur mit Regesten zu begnügen.

 

Leider muss ich an dieser Stelle die Antwort schuldig bleiben, wie viele Urkunden das Löwenberger Depositum derzeit noch beinhaltet. Ich habe zwar angefangen, das Bestandsverzeichnis zu bearbeiten, konnte es aber aufgrund Zeitmangels nicht beenden.

 

 

Wann wurde Löwenberg nach deutschem (Magdeburger) Recht ausgesetzt?

Tatsächlich existiert diese Streitfrage schon seit Jahrhunderten, die mögliche Antworten sind  1209 und 1217. Worauf aber beruhen diese Daten? Diese Frage wissen heutzutage die Wenigsten zu beantworten. Deshalb möchte ich wenigstens in diesem Punkt Klarheit schaffen.

 

Die Stadtrechte wurden Löwenberg von Heinrich I. (auch Heinrich der Bärtige genannt) verliehen; das scheint von je her als sicher zu gelten. Die Original-Urkunde aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts ist schon vor langer Zeit verloren gegangen; Sutorius (3) erwähnt sie bereits 1784 als nicht mehr vorhanden.

 

Das Löwenberger Rechtsbuch („rotes Buch“), das nach vorsichtiger Schätzung zwischen Ende des 13. und Mitte des 14. Jahrhunderts geschrieben wurde, enthält eine Abschrift dieser Urkunde mit der Jahresangabe 1217 (Von gotis geburt tusent iar vnn zwei hundert iar vnn siben zen iar).

 

„Rotes Buch“ Fol. 77 unten rechts (1a)

 

Am 21. Mai 1407 bestätigt der Landeshauptmann Jan von Leuchtenburg der Stadt Löwenberg ihre von Heinrich I. verliehenen Rechte und Privilegien (1d). Diese Urkunde ist im Original erhalten und heute unter der Sign. Urkunden Nr. 21 zu finden (das Siegel zerbrochen und die Urkunde vom Hochwasser beeinträchtigt), allerdings für mich schlecht zu entziffern, so dass ich mich wiederum an Wesemanns Ausführungen (4a) halte: „… alz man schreyb noch Christs geburt thusund czwehundert und neun jar“ = 1209.

 

Damit haben wir also die beiden verschiedenen Jahresangaben, um die ein lang andauernder und tatsächlich bis heute nicht beigelegter Streit herrscht. Verfechter des Jahres 1217 führen an, das „rote Buch“ sei das ältere Dokument, die andere Seite gibt zu Bedenken, Jan von Leuchtenburg habe die Original-Urkunde „von Wort zu Wort lesen gehört“. Oft wiederholt wird die Aussage, die Jahreszahl 1217 stehe auf Rasur (d. h. es sei an der Jahreszahl radiert worden), also sei sie nicht glaubwürdig. Tatsächlich ist im „roten Buch“ eine Radierung erkennbar, aber eindeutig nur an dem Wort „siben“ am Ende der Zeile, wogegen das Wort „zen“ nicht berührt wurde. Den Hinweis hat auch schon Wesemann gegeben, aber diese Feinheit (von der sich einige Autoren wahrscheinlich nicht persönlich überzeugt haben), dass damit aus 1217 höchstens 1219 hätte werden können, ist bisher nirgends zu lesen.

 

Wesemann selbst spricht die Vermutung aus, in der Original-Urkunde sei die Jahreszahl nicht in Worten, sondern in römischen Zahlen ausgedrückt worden, so dass aus XVII (= 17) hätte VIIII (= 09) gelesen werden konnte. Andererseits konnte der Fehler auch andersrum passieren, so dass der Schreiber des „roten Buches“ die Zahl hätte verlesen können …

 

Die Frage nach dem richtigen Jahr - 1209 oder 1217 - bleibt noch heute und sicherlich auch in Zukunft ungeklärt!

 

 


Quellen:

Das von mir ausgewertete Material über Löwenberg ist weitaus umfangreicher als die nachfolgenden aufgeführten Quellen. Johann Gottfried Bergemann beispielsweise konnte ich mit gutem Gewissen unberücksichtigt lassen, weil er in seiner „… Beschreibung der Kreis-Stadt Löwenberg …“ von 1824 im Bezug auf die Löwenberger Stadtbücher und Urkunden wortgetreu die Ausführungen von Sutorius (3) übernommen hat. Bei einigen anderen Autoren war offensichtlich zu erkennen, dass sich ihre Angaben (ebenso wie meine auch) vorwiegend auf die fundierten Mitteilungen von Wesemann stützen. Leider musste ich aber auch feststellen, dass mir einige zitierten Veröffentlichungen gar nicht zugänglich waren und ich hoffe, dass ich aufgrund fehlender Quellen keine gravierenden Fehlinformationen gegeben habe, wie das in der Vergangenheit leider auch schon vorgekommen ist.

 

  1. Depositum der Stadt Löwenberg im Staatsarchiv Breslau / Wrocław (alt: Rep. 132a):

       a. Bücher Nr. 1 Księga landrechtu I poł XIV w. - 1540 (= das Löwenberger Rechtsbuch)

       b. Urkunden-Verzeichnis auf Karteikarten

       c. „Staatsarchiv Breslau - Wegweiser durch die Bestände bis zum Jahr 1945“, Schriften

           des Bundesinstituts für ostdeutsche Kultur und Geschichte, Band 9; S. 191, Abb. 5

           ist die Darstellung des „Jüngsten Gerichts“ vom Anfang des „roten Buches“; die Unter-

           schrift „Schöffenbuch“ ist irreführend

       d. Urkunden Nr. 21 1407 Mai 21 Löwenberg; Johann von Leuchtenburg, …

  2.  Magistrat Löwenberg im Staatsarchiv Hirschberg / Jelenia Góra:

       a.  Nr. 93 Sammlung und commissarische Versiegelung des rathhäuslichen Archivs zu

            Löwenberg 1629-1644

       b. Nr. 15   Institucja dot. organizacji magistratur 1745

       c.  Nr. 90  Repertorium 1747

       d.  Nr. 92  Verzeichnis derer im Rathaus 1. Thurm Gewölbe befindl. Städt. u. andere

                        Privilegien und Urkunden /XIX-XX/

       e.  Nr. 21  Acta des Magistrats zu Löwenberg betreffend das städtische Archiv und die

                        darin aufbewahrten Urkunden 1902-1936

       f.   Nr. 13 Statuten der Stadt Löwenberg

  3.  Benjamin Gottlieb Sutorius:

       „Die Geschichte von Löwenberg aus Urkunden und Handschriften gesammlet“, 1. Teil

       Bunzlau 1784

  4.  Dr. Wesemann:

       a.  „Urkunden der Stadt Löwenberg“, Teil 1 in: Fünfzehnter Jahresbericht über das Real-

          progymnasium zu Löwenberg in Schl., Löwenberg 1885

       b.  „Urkunden der Stadt Löwenberg“, Teil 2 in: Siebzehnter Jahresbericht über das Real-

          progymnasium zu Löwenberg in Schl., Löwenberg 1887

  5. Prof. Dr. Paul Kleber und Joseph Ennen (Nachlass von Prof. Dr. H. Wesemann):

       a. „Regesten zur Geschichte der Stadt Löwenberg i. Schl.“, Teil 1 in: Zweiundzwanzigs-

            ter Jahresbericht über das Realgymnasium i. E. zu Löwenberg i. Schl., 1912

       b. „Regesten zur Geschichte der Stadt Löwenberg i. Schl.“, Teil 2 in: Beilage zum Jah-

            resbericht des Reformrealgymnasiums zu Löwenberg i. Schl., 1913

  6.  Archivalische und historische Handschriften im Staatsarchiv Breslau / Wrocław:

       Nr. 125 Stadt Löwenberg Acc. 37/07 Rep. 132a

  7.  Prof. Dr. Hermann Wesemann:

       „Beschreibung einer Handschrift des städtischen Archivs in Löwenberg“ in: Sechsund-

        dreissigster Jahresbericht über die Realschule zu Löwenberg i. Schl., 1906

  8. Waldemar Geike (später Dr. W. Geike):

       „Das Löwenberger Rechtsbuch - Eine Gesamtdarstellung und Würdigung der im Löwen-

        berger Rechtsbuch enthaltenen Aufzeichungen. Dissertation zur Erlangung des juristi-

        schen Doktorgrades …“, 1942

  9.  Ernst Jäkel:

       „Vom ROTEN RECHTSBUCH der Stadt Löwenberg“ in Löwenberger Heimatgrüße, Nr.

       11/1979, S. 10-12

10.  Bücherkatalog der Löwenberger Heimatstube in Hannover:

       a. Nr. 1178 Das Löwenberger Rechtsbuch, auch "rotes Buch" genannt, Teil 1 und 2

       b. Nr. 1183 Löwenberger Stadtbuch, der Stadt gewidmet 1909

11.  Winfried Irgang:

       „Das spätmittelalterliche Stadtbuch von Löwenberg in Schlesien“ in: Zeitschrift für

        Ostmitteleuropa-Forschung, 45. Jg. 1996

 

Doris Baumert

Heiligenstieg 8

37627 Stadtoldendorf

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März 2008