800 Jahre Stadtrechte
Löwenberg?
In diesem
Jahr wurde der Heimatbund Kreis Löwenberg e.V. mehrfach von Geschichtsinteressierten
auf das 800jährige Stadtjubiläum Löwenbergs angesprochen. Eine berechtigte
Frage vor dem Hintergrund, dass vor 50 Jahren die 750-Jahr-Feier statt fand; am
12. und 13. September 1959 wurde auf dem Messegelände in Hannover mit einem
aufwendigen Kulturprogramm unter Beteiligung Tausender von Gästen, darunter
auch hochrangige Personen aus dem Kreis Löwenberg und der damaligen Politikwelt,
der vermeintlichen Stadtgründung Löwenbergs im Jahr 1209 gedacht. Demgegenüber
steht allerdings, dass es in der Stadt Löwenberg zu deutscher Zeit in den
vergangenen Jahrhunderten scheinbar keine Feierlichkeiten im Hinblick auf die
Stadtgründung gab; nicht einmal im Jahr 1909, als sich so versierte Männer wie Prof. Dr. Hermann Wesemann,
Prof. Dr. Paul Kleber und Studienrat Joseph Ennen
um die Geschichtsschreibung Löwenbergs bemühten. Der Grund dafür ist ganz simpel:
1209 ist als Jahr der Stadtgründung nicht urkundlich zu belegen.
Löwenberg
soll als Siedlung bereits in der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts erwähnt worden
sein. Dass Goldberg und Löwenberg die beiden ältesten schlesischen Städte sind,
ist unbestritten. Auch dass die Verleihung der Stadtrechte für Löwenberg am
Anfang des 13. Jahrhunderts durch Heinrich I., auch „der Bärtige“ genannt,
erfolgte, wird nicht angezweifelt. Allerdings ist die Original-Urkunde schon
vor langer Zeit verloren gegangen; ein Verzeichnis aller Urkunden im
rathäuslichen Archiv aus der 2. Hälfte des 18. Jahrhundert nennt sie schon
nicht mehr, enthält vielmehr als älteste Angabe eine Urkunde aus dem Jahr 1261.
Auch Benjamin Gottlieb Sutorius, der die Geschichte
der Stadt Löwenberg schrieb, erwähnt sie 1784 als nicht mehr vorhanden. Informationen
zur Stadtgründung liefern uns daher nur zwei später ausgestellte Urkunden:
1. 1209 als Jahr der Stadtgründung
In einer
Urkunde vom 21. Mai 1407 bestätigt der damalige Landeshauptmann Jan von
Leuchtenburg der Stadt Löwenberg ihre von Heinrich I. verliehenen Rechte und
Privilegien. In dem Wortlaut heißt es, dass zu ihm gekommen sind „die
Vorsichtigen und Weisen, der Bürgermeister und die Ratsmänner der Stadt
Löwenberg, …, und zeigten und brachten zu uns fürstliche Briefe, die wir
gesehen und lesen gehört haben von Wort zu Wort …“. Der weitere Text bezieht
sich hauptsächlich auf die Urkunde Heinrichs des Bärtigen und nennt dafür das
Jahr 1209 - „… alz man schreyb
noch Christs geburt thusund czwehundert und neun jar“ (siehe Abschrift der Urkunde bei Wesemann:
„Urkunden der Stadt Löwenberg“, 1885).
2. 1217 als Jahr der Stadtgründung
Das älteste Stadtbuch Löwenbergs,
das so genannte „rote Buch“, enthält u. A. eine Abschrift der Original-Urkunde
Heinrichs des Bärtigen unter Angabe des Ausstellungsjahres 1217 - „Von gotis geburt tusent
iar vnn zwei hundert iar vnn siben
zen iar“. Das Stadtbuch
selbst soll zwischen Ende des 13. und Mitte des 14. Jahrhunderts geschrieben worden
sein.
Aus diesen
beiden Aktenstücken, die der Original-Urkunde zeitlich recht nah waren und bei
deren Ausstellung sie noch vorgelegen hat, geht die Streitfrage über das korrekte
Gründungsjahr der Stadt Löwenberg hervor.
Erklärungsversuche
der unterschiedlichen Jahreszahlen sind uns aus den vergangenen Jahrhunderten
von mehreren Geschichtsforschern überliefert. Da gibt es die Mutmaßung, dass
die römischen Ziffern „XVII“ (=17) in „VIIII“ (=9) verlesen wurden; dabei wissen
wir nicht einmal, ob die Original-Urkunde unter Nutzung von römischen Ziffern
oder ebenso wie die beiden genannten Folge-Urkunden mit ausgeschriebener
Jahreszahl ausgestellt wurde. Eine andere Aussage lautet, 1209 sei richtig,
weil im „roten Buch“ an der Jahreszahl 1217 radiert wurde. Augenscheinlich
wurde allerdings nur an dem Wort „siben“, das am Ende
einer Zeile steht, radiert, während das Wort „zen“ am
Anfang der nächsten Zeile scheinbar unberührt blieb; wenn also „zehn“ korrekt
war, kann aus 1217 keinesfalls 1209 werden.
Sowohl die
Urkunde Jan von Leuchtenbergs als auch das „rote Buch“ befinden sich noch heute
im Staatsarchiv Breslau (Archiwum Państwowe
we Wrocławiu), wohin
sie vor mehr als 100 Jahren als Deposita der Stadt
Löwenberg abgegeben worden sind. Im Jahr 2007 konnte ich beide in Händen halten
und mich von der Korrektheit der bisher veröffentlichten Fakten überzeugen. Das
ändert aber leider nichts an der Tatsache, dass ausschließlich die verloren
gegangene Urkunde Heinrichs I. jeglichen Zweifel an der richtigen Jahreszahl
ausräumen könnte. Wie sollten wir dann im Jahr 2009 eine 800-Jahr-Feier der
Stadt Löwenberg begehen, für die es keinen eindeutigen urkundlichen Nachweis
gibt?
Heimatbund
Kreis Löwenberg e. V.
Stellvertretende
Vorsitzende
Doris
Baumert
Heiligenstieg
8
37627
Stadtoldendorf