Traute Heimat an Bober und Queis -
Der Kreis Löwenberg in Schlesien
Festrede zum 35. Heimattreffen des
Kreises Löwenberg (Schl.) am 28./29. August 2010
lautet das Motto unseres
diesjährigen Kreistreffens. Da stellt sich uns die Frage: Heimat, was ist das
eigentlich? Wikipedia, die freie Enzyklopädie im
Internet, erklärt uns relativ nüchtern: „Das Wort Heimat verweist zumeist
auf eine Beziehung zwischen Menschen und Raum. Das Wort kann sich auf eine
Gegend oder Landschaft, aber auch auf Dorf, Stadt, Land, Nation, Vaterland,
Sprache oder Religion beziehen.“ Viel liebevoller ist dagegen die Definition
aus dem Volks-Brockhaus von 1931: „der Ort, wo man daheim, zu Hause ist; der
Geburtsort, das Geburtsland“. Das geht also über die hinlänglich benutzte
Aussage „der Ort, an dem die Wiege stand“ hinaus, denn tatsächlich beinhaltet
das Wort Heimat auch die eigenen positiven Gefühle - als Ort, wo man sich
heimisch fühlt, mit dem man innig verbunden ist. In diesem Sinne lesen wir
weiter auf Wikipedia: „Was Heimat bedeutet,
erfährt insbesondere der im Exil, in der Fremde Lebende.“
Was nun der Kreis Löwenberg als
Heimat bedeutet, wollen wir uns deshalb ins Gedächtnis zurückrufen; wehmütig
wegen des Verlusts, aber auch dankbar, diese wunderschöne Region gekannt zu
haben, ein Teil des Ganzen gewesen zu sein, und stolz auf das, was sie
ausmachte und was sie hervorbrachte.
Der Kreis Löwenberg in Schlesien
hatte nach der letzten Volkszählung vom 17. Mai 1939 insgesamt 63.476 Einwohner
in fünf Städten und fast 80 Dörfern. Er lag im südwestlichen Teil des
Regierungsbezirks Liegnitz und wurde noch zu den schlesischen Gebirgskreisen
gezählt. So finden wir im Süden des Kreises das Isergebirge mit beachtlichen
Höhen von mehr als 1.100 Metern, im Osten die Ausläufer des Bober-Katzbach-Gebirges,
aber auch in dem dazwischen liegenden Hügelland gibt es mehrere Berge von mehr
als 400 Metern Höhe. Dieser Gebirgscharakter des südlichen Löwenberger Kreises
in Verbindung mit den größeren Flüssen machte einen ganz besonderen Reiz aus.
Die Iser bildet im Süden auf 6 km Länge die Grenze nach Böhmen hin. Der Queis, von seiner Wortherkunft der „zischende, rauschende
Fluss“ kommt vom Kemnitz-Kamm her in den Kreis und nimmt seinen Lauf über
Flinsberg, Krobsdorf, Steine, Egelsdorf,
Friedeberg und Greiffenberg insgesamt 26 km lang durch den Südwesten, bevor er
in den Kreis Lauban eintritt. Als bedeutendster Fluss
durchzieht der Bober mit 34 km Länge den Kreis Löwenberg. Sein Name ist slavischen Ursprungs und bedeutet Biber, also der
Biberfluss. Am Fuß des Bernskensteins beginnt sein
Weg durch den Kreis und schon kurz darauf wird seine bei Schneeschmelze und
lang anhaltenden Regengüssen zerstörerische Kraft durch die 1912 vollendete
Talsperre bei Mauer gedämpft. Danach fließt der Bober vorbei an Waltersdorf, Kleppelsdorf, Lähn, Schiefer, Märzdorf, durch
eine freie Aue zwischen Siebeneichen und Zobten, über Höfel,
Löwenberg, Braunau, vorbei am Husarensprung unterhalb Sirgwitz
und schließlich Groß Walditz bis zu seinem Eintritt
in den Bunzlauer Kreis.
Neben den Flüssen finden wir im
Kreis Löwenberg auch einige erwähnenswerte Mineralquellen. Allen voran ist hier
Bad Flinsberg zu nennen, dessen Quellen bereits seit 1572 bekannt sein sollen,
aber erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts systematisch erschlossen wurden, um
ihre heilsame Wirkung zu nutzen. Andere so genannte „Gesundbrunnen“ sind
dagegen seit langer Zeit in Vergessenheit geraten:
- In Baumgarten bei Greiffenberg
gibt es eine Quelle, von der der Greiffenberger Chronist Wolfgang Silber bereits
1617 berichtet, dass in einem kleinen Häuschen mit zwei Badestuben viele Leute
im so genannten Bierbrunnen gebadet hätten. 1821 wurde ein Badehaus mit großem
Wasserbehälter angelegt, aber 1883 wegen zu geringer Besucherzahl aufgegeben;
das Badehaus wurde abgebrochen und der Brunnen zugedeckt.
- In Ullersdorf-Liebenthal
entdeckte der Kramer Tanzmann auf seinem Grundstück in den 1830er Jahren eine
heil bringende Quelle, ließ daraufhin sechs Wannenbäder einrichten, die später
noch erweitert, aber letztendlich wieder geschlossen wurden, weil niemand
Interesse daran hatte, die Tätigkeit fortzuführen. Immerhin wurde in Ullersdorf-Liebenthal 1912 eine neue Quelle erschlossen,
die als „Hannaquelle“ reines Tafelwasser lieferte.
- Zwei weitere Mineralquellen,
nämlich im Löwenberger Stadtwald und am Harteberg bei
Neuland, wurden nie eingehend auf ihre Bestandteile untersucht und blieben
daher unbenutzt.
Aber auch unsere besonderen Naturdenkmäler
sollen nicht unerwähnt bleiben:
- Bekannt als „hohler Stein“ ist die
große Grotte, über der das Schloss Hohlstein 1513 von Adam von Lest erbaut
wurde.
- Am Fuß des Harteberges
bei Neuland liegen verschiedene erratische Blöcke oder Findlinge; dabei handelt
es sich um Granitmassen, die vielfach mit Quarzadern durchsetzt sind.
- Als Gesteinsgruppen kennen wir:
- den „Husarensprung“ bei Sirgwitz, das ist eine 20 Meter senkrecht aus dem Bober
aufsteigende Sandsteinwand
- den „Schotten- oder Schattenstein“ bei Hohlstein, nämlich eine aus Quadersand-stein bestehende turmartige Felsensäule
- die Sandsteinfelsen der Löwenberger
Schweiz und des Jungfernstübchens;
- der „Kaltestein“,
eine Felsgruppe bei Lähn
- der „Totenstein“
bei Steine
- der „Wickenstein“ bei Rabishau,
ein Basaltfelsen
- und natürlich der Granitkegel
des Bernskensteins bei Riemendorf, um den sich die Sagen
über die Zwerge vom Bernskenstein drehen, weshalb er auch die „Zwergenburg“ genannt wird
Im Einklang mit der Natur wurden die
unterschiedlichsten Wahrzeichen und Bauten von Menschenhand geschaffen. Als
älteste Zeugen der frühesten Besiedlung unseres Kreises blieben uns drei
Burgruinen erhalten:
Die Burg Lehnhaus als älteste
Höhenburg in unserer Gegend, die etwa im Jahre 1000 angelegt wurde. Sie bestand
aus dreistufig übereinander gebauten Wehranlagen, von denen jede von Mauern mit
Toren umgeben war. Das festeste Bollwerk war der Bergfried als Rundturm von 2
Metern Mauerdicke und 48 Metern Höhe. Weit bekannt war die Burg Lehnhaus als
häufiger Aufenthaltsort des Herzogs Heinrich I, auch der Bärtige genannt, und
seiner später heilig gesprochenen Gemahlin Hedwig von Andechs, die 1202 zum
ersten Mal auf Lehnhaus weilten. Die Burg trotzte vielen Anstürmen, wurde aber
im 30jährigen Krieg mehrmals eingenommen und schließlich 1646 zerstört, damit
sie keiner der Kriegsparteien mehr als
Stützpunkt dienen konnte.
Die Burg Greiffenstein soll von
einem Edlen von Greiff - auf einem Basaltkegel -
erbaut worden sein und erhielt im Jahr 1198 eine umfangreiche Erweiterung. Ab
1400 war sie im Besitz der Familie Schaffgotsch, die sie für ihre Verdienste um
das Vaterland von Herzog Bolko erhalten hatte. Nach
einer sehr wechselvollen Geschichte wurde die Burg Greiffenstein im Jahr 1798
abgebrochen.
Die Burg Talkenstein
soll Herzog Heinrich I., der Bärtige, kurz nach dem Jahre 1200 an Stelle der
wahrscheinlich unzulänglichen Poitzenburg zum Schutz
der Straße Zittau-Liegnitz erbaut haben. 1360 kam sie an den Edlen von Talkenberg, wurde aber gegen Ende des 15. Jahrhundert geschleift,
weil sie unter Bernhard von Talkenberg zu einer
gefährlichen Raubburg verkommen war.
Gern erinnern wir uns auch der
ehemals prunkvollen Schlösser mit ihren prächtigen Parkanlagen, die im ganzen
Kreis verteilt zu finden sind: in Braunau, Dippelsdorf,
Hohlstein, Kleppelsdorf.
Schloss Langenau mit einem ganz
besondere Kleinod: der so genannten „Kapelle“, einem kleinen, quadratischen
Raum im ältesten Teil des Schlosses; ringsum verziert mit Wandmalerei aus dem
Jahr 1563, in deren Mittelpunkt die Wappen von 16 hiesigen Adelsfamilien in
beachtlicher Größe dargestellt sind.
Schloss Lehnhaus wurde Mitte des 17.
Jahrhunderts am Fuß der kurz zuvor zerstörten Burg von Adam von Koulhas erbaut. Dieser ließ kurz danach im Jahr 1662 auch
das Hedwigskirchlein aus Stein erbauen, das seine
letzte Ruhestätte wurde.
Schloss Matzdorf, mit dem älteren
Schloss, das Anfang des 17. Jahrhunderts erbaut worden sein soll und dem neuen
Schloss, fertig gestellt im Jahr 1838; daneben die Schlosskapelle aus dem Jahr
1690.
Weitere Schlösser gab es in den
Ortschaften Klein-Neundorf, Plagwitz, Wenig-Rackwitz,
Siebeneichen, Waltersdorf, Welkersdorf und Zobten.
Der Großteil der Bevölkerung lebte
und arbeitete auf den Dörfern. Ackerbau und Viehzucht war der
Haupterwerbszweig, denn die heimatliche Scholle bestand aus ertragreicher Bodenqualität.
Vielerorts wurde auch erfolgreich Obstbau betrieben, und selbst der Imkerei ging
man in manchen Dörfern nach. Unsere Dörfer blicken auf eine lange Zeitspanne
zurück, in denen sie gewachsen sind und sich dem Lauf der Geschichte angepasst
haben, die wechselhaften Zeiten haben das Dorfbild geprägt und so finden wir
oftmals noch die alten Fachwerkbauten, aber auch Neubauten aus dem 20.
Jahrhundert.
Mittelpunkt des dörflichen Lebens
war natürlich die Kirche. Arbeit und Glauben machten das Leben aus, vor allem
zu der Zeit, als die meisten Menschen weder schreiben noch lesen konnten. Der
überwiegende Teil unserer Kreisbevölkerung war evangelisch und hat auch während
der Drangsale der Gegenreformation an der Konfession festgehalten. Nach über 80
Jahren der Unterdrückung und langen, gefährlichen Wegen in die Friedens-,
Grenz- und Gnadenkirchen war die freie Religionsausübung, die unseren Vorfahren
nach der Inbesitznahme Schlesiens durch Friedrich den Großen wieder gewährt
wurde, eine wahre Erlösung. Aufgrund der gestellten Bedingung der einfachen
Bauweise aus Lehm und Holz sowie ohne Turm erhielt auch der Kreis Löwenberg die
anheimelnden Kirchen im Fachwerkstil, die mit der Bezeichnung „Bethäuser“
charakterisiert wurden. Es ist also nicht verwunderlich, dass im Jahr 1925 im
Kreis Löwenberg 22 evangelische und nur 13 katholische Pfarrkirchen vorhanden
waren. Überwiegend katholische Bevölkerung finden wir hauptsächlich in den
Ortschaften, die ehemals zum Kloster Liebenthal gehörten.
Durch das Dorfleben geprägt und mit
ihm verwachsen, übten unsere fünf Städte Friedeberg, Greiffenberg, Lähn,
Liebenthal und Löwenberg doch eine gewisse Anziehungskraft auf die
Kreisbewohner aus. Gern wurden die Markttage genutzt, um die eigenen
Erzeugnisse zu verkaufen und das breit gefächerte Angebot zu bestaunen. Jede
dieser Städte hat ihre eigene, Jahrhunderte alte Geschichte, die es wert ist,
beschrieben und auch weiter erforscht zu werden. Aber sicherlich hat jeder Einzelne
seine eigene Erinnerung an das Stadtbild, die Architektur, die Straßen und
Gassen, die Ausstrahlung der vertrauten Kleinstadt und vor allem an die
Erlebnisse aus der Kindheit und Jugendzeit.
Doris Baumert, Stadtoldendorf