30 Jahre Heimatstube

 

Festrede zum 31. Heimattreffen des Kreises Löwenberg am 24./25. August 2002

 

Die Eröffnung der Löwenberger Heimatstube am 8. Juli 1972 jährt sich in diesem Jahr zum 30. Mal; dieses besondere Jubiläum ist Grund genug, zum Motto des diesjährigen Kreistreffens erklärt zu werden.

 

Wenn wir uns aber mit der Geschichte der Heimatstube beschäftigen, stellen wir fest, dass die tatsächlichen Anfänge der Sammlung bereits zehn Jahre davor zu finden sind; nämlich am 12. Mai 1962 mit der offiziellen Gründung des „Löwenberger Kulturkreises“. Damals fand sich ein kleiner Kreis von Heimatforschern zusammen, der sich der Heimatgeschichte und Heimatforschung, auf den Gebieten Kunst, Kultur und Wissenschaft, widmen wollte. Das von den Herren Walter Scholz und Walter Finke entwickelte Arbeitsprogramm befasste sich mit den Themen Fotosammlung, Beschaffung alter Trachten, Arbeit an einer Bibliographie des Kreises Löwenberg, Klärung des Verbleibs der geretteten Glocken und auch mit der Schaffung einer Heimatstube mit Heimatarchiv. Dieses Vorhaben wurde auch vom Patenschafts-träger, dem damaligen Landkreis Hannover begrüßt, der seine Unterstützung zusicherte.

 

Unter den ersten Mitgliedern des Löwenberger Kulturkreises finden wir uns allen wohlbekannte Namen:

Neben den genannten Herren Walter Scholz und Walter Finke auch die Herren Adolf Möller, Gerhard Dresler, Jochen Hoffbauer, Kurt Lindner, Ernst Jäkel, Paul Siebenhaar, Heinz Kulke, Karl Hausdorf, Günther Scholz und Dr. Werner Lohmann.

Zunächst wurde mit Walter Scholz nur ein Leiter des Kulturkreises zur Koordination der Ziele gewählt.

 

Von Anfang an wurden Spendenaufrufe bzw. Bitten um Leihgaben für die Heimatsammlung an die Heimatortsvertrauensleute weitergegeben und in den beiden Kreiszeitungen veröffentlicht. Die genannten Mitglieder gingen dabei mit gutem Beispiel voran, so dass schon bald erste Spendenlisten veröffentlicht werden konnten. Darin finden wir u. a.  schlesisches Leinen, Bauernteller und Zinngerät, eine Brautkette aus dem Isergebirge, eine umfangreiche Bildersammlung über Löwenberg und Umgebung, eine Fotokopie des Messtischblattes Nr. 2945 vom Kreis Löwenberg (Blatt Friedeberg), Greiffenberger Notgeld und Fotos von Greiffenberg, Gläser aus Bad Flinsberg, eine Abschrift des Jubelbüchleins von Schosdorf aus dem Jahr 1897, eine Lithographie des Rathauses von Löwenberg, Literatur über Löwenberg - darunter natürlich auch die Erzählung „Otto und Klara“ - sowie Fotokopien aus dem „Löwenberger Stadtbuch“. Besonders wertvoll war die Übereignung des Gästebuchs der Stadt Löwenberg 1925-1944 durch Adolf Möller im Jahr 1963.

 

Die erste Geldspende in Höhe 20,00 DM wurde u. a. zum Erwerb einer Lithographie des Greiffensteins aus dem Jahr 1845 verwendet. 

 

Während die Sammlung stetig wuchs, wurde auf jeder Sitzung mit den Vertretern des Landkreises Hannover über den Standort und den Zeitpunkt der Eröffnung diskutiert. Erste konkrete Pläne gab es für das Kreistreffen in Hannover im Jahr 1964, was aber an der Verfügbarkeit von geeigneten Räumlichkeiten scheiterte.

 

Die Aktivitäten des Kulturkreises haben in den ersten zwei Jahren des Bestehens derart zugenommen, dass man 1964 einen erweiterten Vorstand bildete, der sich wir folgt zusammensetzte:

Vorsitzender: Walter Scholz

Stellvertretender Vorsitzender: Jochen Hoffbauer (ab 1965 auch Pressereferent)

Schriftführer: Walter Finke

Beisitzer: Herbert Handke und Kurt Lindner

Für die Kontinuität bei der Verfolgung der Zielsetzungen spricht, dass dieser Vorstand über Jahre hinweg in dieser Besetzung erhalten blieb.

 

Zu diesem Zeitpunkt lautet die Beschreibung der Vereinigung:

>Der „Löwenberger Kulturkreis“ hat ausschließlich den Zweck, die gesamten Belange der heimatgeschichtlichen Forschung vor allem im Gebiet des Kreises Löwenberg in Niederschlesien, der gegenwärtig unter polnischer Verwaltung steht, wahrzunehmen. Die Kenntnis der Heimatgeschichte wird durch Veröffentlichungen, Vorträge, Sammlungen und sonstige geeignet erscheinende Maßnahmen zu vertiefen und zu verbreiten sein.<

- Zitat Ende -

 

Entsprechend warb man unermüdlich für die Erweiterung der Heimatsammlung und beschloss auf der Vorstandssitzung am 13. März 1965 wiederum einen Aufruf, der mit folgendem Wortlaut begann:

 

An die Heimatfreunde aus Stadt und Kreis Löwenberg!

Zwanzig Jahre sind seit dem Ende des unglückseligen zweiten Weltkrieges und damit seit dem Beginn der Vertreibung vergangen. Viele Landsleute hat seitdem der Tod abberufen, und eine neue Generation wächst heran. Es gilt daher, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Erinnerung an unsere schöne Heimat wach zu halten. Hierbei ist jeder Heimatfreund zur Mitarbeit aufgerufen.

Unser Patenkreis, der Landkreis Hannover, beabsichtigt, eine Heimatstube und ein Heimatarchiv einzurichten, in denen all´ das Material aus dem Kreise Löwenberg gesammelt und aufbewahrt werden soll, das im Interesse unserer heimatlichen Belange wert erscheint, erhalten zu bleiben und einem größeren Personenkreis zugänglich gemacht zu werden. Dieses Vorhaben kann aber nur zum Erfolg führen, wenn jeder einzelne zu diesem Gelingen beiträgt.

- Zitat Ende -

Unterzeichnet wurde dieser Aufruf von dem Heimatkreisvertrauensmann Dr. Werner Lohmann und den beiden Vorsitzenden des „Löwenberger Kulturkreises“ Walter Scholz und Jochen Hoffbauer.

 

Die damalige Planung war, Heimatstube und -archiv noch im Jahr 1965 in einem alten Gutshaus in Gehrden einzurichten, das vom Landkreis Hannover erworben wurde und renoviert werden musste. Aber wiederum mussten die Pläne verworfen werden, so dass beim Löwenberger Kreistreffen im Jahr 1966 nur eine kleine Ausstellung der bisherigen Spenden und Leihgaben präsentiert wurde. Dieser kleine Gang an die Öffentlichkeit hatte zwar eine weitere Spendenbereitschaft zur Folge, aber der Zustand der Aufbewahrung in Schränken und Kisten war keineswegs zufrieden stellend. Schlimmer noch, man befürchtete einen allgemeinen Rückgang der Spendenfreudigkeit, wenn nicht endlich die Standortfrage durch den damaligen Landkreis Hannover geklärt werden konnte.

 

Das ständige Drängen führte dann endlich dazu, dass Herr Dr. Folz in seiner Eigenschaft als Kuratoriumsmitglied auf der Vollversammlung des Löwenberger Kulturkreises am 15. Juni 1968 bekannt geben konnte, die Verwaltung des Patenkreises Hannover habe einen Raum in der feuerwehrtechnischen Zentrale in Ronnenberg bei Hannover als Zwischenlösung gefunden.

 

Dadurch ermutigt und um dem Patenkreis Hannover nicht alle finanziellen Schwierigkeiten anzulasten, wurde die sog. „Baustein-Aktion“ ins Leben gerufen. Bei den Bausteinen handelte es sich um Ansteckfähnchen in den schlesischen Farben gelb-weiß mit schwarzem Aufdruck „Baustein zur Löwenberger Heimatstube“, die zum Stückpreis von 1,00 DM verkauft wurden. Angeboten wurden die  „Bausteine“ bei den Kreistreffen ebenso wie innerhalb der einzelnen Heimatgruppen und bei den lokalen Ortstreffen. 

 

Während sich diese Aktion zu einem vollen Erfolg entwickelte, wurde in den Sitzungen zwischen Kulturkreis und Kuratorium weiterhin die Standortfrage erörtert. Vorgeschlagen wurde zum einen die Unterbringung in dem vom Landkreis Hannover zu erwerbenden Gewerkschaftshaus, zum anderen die Einrichtung der Heimatstube in der „Franzburg“ in Gehrden, was aber sowohl hinsichtlich der Möglichkeit einer Verwirklichung wie auch des Zeitpunktes als unklar bezeichnet wurde.

 

1970 kam dann endlich die verbindliche Zusage des Oberkreisdirektors des Landkreises Hannover, dass die Heimatstube im DGB-Haus Hannover eingerichtet werden kann, dessen Übernahme aber erst im März 1971 erfolgen würde. Die daraufhin gezogene Zwischenbilanz der Baustein-Aktion ergab Einnahmen in Höhe von bereits 1.754,00 DM.

 

Nun konnte also endlich eine wirklich konkrete Planung in Angriff genommen werden. Der Patenkreis Hannover sah die Gestaltung der Räumlichkeit durch einen Fachmann vor und die Heimatkreis-Organisation, also inklusive des zwischenzeitlich gegründeten Heimatbund Kreis Löwenberg e.V., übertrug die Einrichtung und Betreuung der Heimatstube einstimmig Herrn Walter Finke.

 

Die Baustein-Aktion zur Mitfinanzierung der Einrichtungskosten ergab per 31. März 1972 inkl. der Zinsen, abzgl. der dabei entstandenen Kosten eine Summe von 2.559,81 DM. Im Laufe der nächsten Monate kam nochmals eine Summe von 256,00 DM hinzu. Maßgeblich am Verkauf der Bausteine waren beteiligt die Ortsgruppen Langneundorf, Welkersdorf, Lähn, Langenau, Flachenseiffen und Gieshübel, Spiller, Rabishau, Greiffenberg, Mauer, Tschischdorf, Wiesenthal und die Löwenberger Vereinigung Opladen.

 

Wie groß die Freude aller Beteiligten am Tag der Einweihung, dem 8. Juli 1972, war, kann man sich anhand der bis dahin bewältigten Schwierigkeiten lebhaft vorstellen.

Vormittags um 10.30 Uhr wurde die Einrichtung durch den amtierenden Oberkreisdirektor Fleig vor geladenen Gästen der Öffentlichkeit übergeben, der in seiner Rede nochmals auf die wechselvolle Vorgeschichte der Heimatstube einging. In Vertretung des erkrankten Vorsitzenden des Löwenberger Kulturkreises, Herrn Walter Scholz, sprach für die Löwenberger Heimatkreis-Organisation Herr Jochen Hoffbauer, der sich stellvertretend für alle, die sich um diese Einrichtung bemüht haben, namentlich bei den Herren Walter Scholz und Walter Finke, sowie bei dem Verwaltungsoberrat Herrn Wittkötter vom Patenkreis Hannover bedankte.

Die Teilnehmer des Kreistreffens zeigten reges Interesse an der neu eröffneten Heimatstube. Besonderer Augenmerk wurde dabei auf eine Kristallschale mit Heimaterde aus Löwenberg gerichtet; verständlich in einer Zeit, in der den meisten noch eine Reise in die Heimat verwährt wurde.

 

Auf der am Tag der Einweihung statt findenden Jahreshauptversammlung machte Herr Siebenhaar den Vorschlag, in der Heimatstube ein Gästebuch auszulegen; dieses wurde vom Vorstand begrüßt und umgehend in die Tat umgesetzt.

 

Die Heimatstube wurde dann nochmals Mittelpunkt des Geschehens beim Kreistreffen im Jahr 1981, als sie nach erfolgtem Umzug aus dem Kreisgebäude in der Wilhelmstraße an ihren jetzigen Standort im Alten Kreishaus in der Höltystraße der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Der Kulturausschuss des Heimatbund Kreis Löwenberg e.V., dem zu diesem Zeitpunkt Agnes Leder, Walter Finke, Herbert Handke, Franz Stelzer und Hans Georg Stahr angehörten, hatte wiederum ganze Arbeit geleistet, um die unzähligen Exponate sachgerecht zu ordnen.

 

Getreu dem Sprichwort „was lange währt, wird endlich gut“, ist es seitdem eher still um die Heimatstube geworden.

 

Der Löwenberger Kulturkreis bzw. der Kulturausschuss des Heimatbund Kreis Löwenberg e.V. arbeiteten und arbeiten nach wie vor an, mit und für die Bestände der Löwenberger Heimatstube.

 

Im vergangenen Jahr kam dann die Überlegung des dauerhaften Bestehens auf. Anderen Kreissammlungen droht schon heute der Untergang bzw. die Verlegung in den Bestand einer größeren Institution. Damit die kreisbezogene Löwenberger Sammlung auch langfristig eigenständig Fortbestehen kann, hat die Jahreshauptversammlung des Heimatbund Kreis Löwenberg e.V. im September 2001 die Einrichtung einer Stiftung beschlossen, was daraufhin auch umgehend in Angriff genommen worden ist.

 

Den Mitteilungen des Heimatbund Kreis Löwenberg e.V., die in den beiden Kreiszeitungen veröffentlicht werden, kann man über die vergangenen 30 Jahre hindurch weitere Spenden sowie Ankäufe durch den Heimatbund entnehmen. So wuchs die Sammlung kontinuierlich an und es fällt schwer, an dieser Stelle das eine oder andere Exponat hervorzuheben, da die Liste schlichtweg zu lang werden würde. Aber eines ist ganz sicher: die Vertriebenen aus Stadt und Kreis Löwenberg können stolz auf ihre umfangreiche Heimatsammlung sein!

 

Unser Dank dafür gilt neben den genannten „Männern der ersten Stunde“ natürlich auch dem Patenschaftsträger, dem früheren Landkreis Hannover und der heutigen Region Hannover, die erfreulicherweise problemlos alle Verpflichtungen aus der Patenschaft übernommen hat, nicht zuletzt aber auch all denjenigen, die sich um die Sammlung bemüht und zu ihrer Erweiterung beigetragen haben, unabhängig davon, wie groß oder klein die Unterstützung auch gewesen sein mag.

 

Ich möchte meinen Bericht aber nicht abschließen, ohne nochmals an die wiederholten Spendenaufrufe aus den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts erinnert zu haben. Jochen Hoffbauer sagte in seiner Rede bei der Eröffnungsveranstaltung: „Diese Heimatstube wird ihren Wert und Grund behalten, auch wenn es keinen Deutschen mehr geben kann, der im deutschen Kreis Löwenberg geboren wurde; denn sie ist mehr als eine Stube der puren Erinnerung. Sie ist vielmehr und zuerst Fundgrube und Fundament für eine spätere Landesforschung, die nicht an Menschen gebunden und von politischen Konstellationen entbunden bleibt.“

 

In diesem Sinne richte ich, sowohl in meiner Eigenschaft als stellvertretende Vorsitzende des Heimatbund Kreis Löwenberg e.V. und als Mitglied des Kulturausschusses des Heimatbundes, als auch aus ganz persönlichem Interesse am ehemalig deutschen Kreis Löwenberg folgende eindringliche Bitte an Sie alle:

 

Nehmen Sie sich an einem verregneten Tag etwas Zeit, durchforsten Sie die alten Dinge, die schon so lange unberührt im Schrank, in der Schublade, in einem Karton, auf dem Dachboden, im Keller oder wo auch immer liegen, und fragen Sie sich, ob diese alten Unterlagen, Dokumente, Bücher, Ansichtskarten, Fotos und alles andere, was aus Schlesien stammt oder Auskunft über Schlesien gibt, auch für eine andere Person, ob heute oder in ferner Zukunft, von Interesse sein könnten. Helfen Sie meiner und den folgenden Generationen in einer Zeit, in der Schlesien selbst in den Schulen kaum noch Erwähnung findet, ein Verständnis für das Land zu bekommen und vor allem die Erinnerung daran zu bewahren.

 

Als Hobby-Ahnenforscherin habe ich natürlich vollstes Verständnis dafür, dass viele Dinge innerhalb der Familie von Generation zu Generation weitergegeben werden sollen. In der heutigen Zeit ist es aber kein Problem, Fotokopien von Büchern und Schriftstücken bzw. Bild-von-Bild oder Farbkopien von Ansichtskarten und Fotos anzufertigen. Wir übernehmen das auch sehr gern, wichtig ist doch vor allem, dass die Informationen auch in der Heimatstube vorliegen.

 

Adressen und Telefonnummern von Herrn Müßigbrodt und mir finden Sie auf der Rückseite des Faltblattes.

 

Darüber hinaus möchte ich noch auf unseren aktuellen Spendenaufruf für das Friedeberger Kaufbüchlein im Namen des Vereins Heimatstube Kreis Löwenberg e.V. als Trägerverein der Stiftung hinweisen.

 

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, und ich freue mich auf Ihren Besuch in der Heimatstube morgen Nachmittag.

 

 

Doris Baumert, Stadtoldendorf