Wer
hat das noch nicht erlebt: wir kennen die zuständigen Standesämter und
Kirchspiele zu den einzelnen Orten, sehen die unterschiedlichen
Bestandsverzeichnisse der Archive durch und müssen feststellen, dass die
vorhandenen Unterlagen Lücken haben oder an einem bestimmten Punkt enden. Um
diese „toten Punkte“ zu überwinden, können wir aber noch andere Quellen
einsehen, die allerdings zum größten Teil in Polen - hauptsächlich in
polnischen Staatsarchiven - zu suchen sind. Eine Forschungsreise nach Polen
würde ich aber jedem (unter Berücksichtigung bestimmter Vorsichtsmaßnahmen!)
empfehlen; nirgends lagern so viele Informationen zu unseren schlesischen
Vorfahren wie dort!
Urbare:
Ich möchte hier nur eine kurze Anmerkung zur Entstehung der Urbare geben; Genaueres kann man in den unten aufgeführten Quellen nachlesen.
„Urbar“
ist ein althochdeutsches Wort und bedeutete ursprünglich „eigener Ertrag“. Im
Mittelalter wandelte es sich über „Einkünfte aus Grund und Boden“ zum
Verzeichnis der „Einkünfte eines herrschaftlichen Grundbesitzes“. Tatsächlich
enthalten Urbare die verschiedenen Robotleistungen (robota
= Arbeit) der erbuntertänigen Bauern und Landbewohner. Urbare dienten der
allmählichen Beseitigung der Erbuntertänigkeit, da die Untertanen zu
Vertragspartnern erhoben wurden, und der Grundherr diese zu entlassen hatte,
wenn sie die Möglichkeit hatten, ihr „Loskaufgeld“ zu entrichten.
Am
12.12.1783 erging das königliche Edikt durch Friedrich den Großen über das zu errichtende
„Urbarium für alle Herrschaften und Dörfer im Fürstentum Schlesien und der
Grafschaft Glatz“. Demnach wurden zwei Haupturbarienkommissionen unter dem Vorsitz der beiden
Provinzialminister für Justiz und für Finanzen sowie für jeden Kreis eine Urbarienkommission gebildet. Die Kreiskommissionen
erhielten bindende Richtlinien und zudem musste jedes Urbar durch eine Haupturbarienkommission bestätigt werden. Dadurch erhielten
die friderizianischen Urbare einen hohen Stellenwert.
Viele
Urbare gelangten durch das Oberlandesgericht oder andere Gerichte an das
Breslauer Staatsarchiv; Abschriften erhielten die Grundherrschaften und der Gemeindeschulz.
Leider
haben die Untersuchungen verschiedener Forscher ergeben, dass nur für etwa 20 %
aller schlesischen Dörfer Urbare angelegt worden sind.
Der
Inhalt der Urbare ist meistens identisch und gliedert sich in sieben Kapitel,
die die Geld- und Naturalzinsen der Untertanen, ihre Robotleistungen,
Entlohnungen, Dienste des Hofgesindes, besondere Rechte der Dominien sowie
Kost- und sonstige Ansprüche regeln. Namentlich enthalten sind alle
Dorfeingesessenen bzw. Haushaltsvorstände – mit ihrer Unterschrift. Leider
stellen Urbare nur ein Augenblicksbild dar und sagen uns nichts zu
Besitzwechsel und Besitzfolge, wie wir sie den Land- und Hypothekenbüchern
entnehmen können.
Dem
Urbar ähnlich sind eine Übersicht über die Hufen und Einwohner der Fürstentümer
Schweidnitz-Jauer aus dem Jahr 1576, auch als „Fassionstabelle“ bezeichnet, von der nur die Handschrift
des Bunzlauer Stadtarchivs bekannt ist, und eine „Capital-Schatzung“
von 1619, die sich im Breslauer Staatsarchiv befindet.
Literatur
zu Urbaren:
-
Korn´sche Sammlung, Breslau 1788, Bd. XVIII
-
Schlesische Gutsherrschaft des ausgehenden 18. Jahrhunderts, E. Klotz, Breslau
1932
-
Grundherrschaft und Rittergut, Knapp, Leipzig 1897
-
Codex Diplomaticus Silesiae,
Band 4, Breslau 1863
-
Hundert Jahre schlesische Agrargeschichte, Ziekursch,
Breslau 1927
Rezesse:
Rezesse - oft „Auseinandersetzungsrezesse“ genannt - sind ähnlich dem Urbar anzusehen. Dabei handelt es sich um Verträge über Zins- und Dienstablösungen, Domänenabgaben, Feldzehnten, Separations- und Dismembrationsverträge. Vielfach wurden aber Rezesse nur zwischen der Grundherrschaft und den ortsansässigen Bauern geschlossen.
In den Staatsarchiven in Breslau und Hirschberg gibt es zu vielen Ortschaften Rezesse, zu manchen Orten mehrere aus verschiedenen Zeiten. Früher befanden sich die Originale z. T. bereits im Staatsarchiv oder beim Oberpräsidium (Landeskulturabteilung), Abschriften erhielten die Kultur-, Kataster- und Landratsämter sowie die Vertragspartner.
Schöffenbücher:
Die Schöffenbücher, vielfach auch als Schöppenbücher, Kaufbücher, Erbbücher und Ingrossationsbücher bezeichnet, sind die Vorgänger der Grundakten. Im Allgemeinen wurden sie im 16. Jahrhundert angelegt, vereinzelt bereits im 15. Jahrhundert, und wurden häufig neben den Hypothekenbüchern bis in den Anfang des 19. Jahrhunderts geführt.
Sie
enthalten die Aufzeichnungen der Dorfgerichte über Käufe und Verkäufe (Besitzveränderungen an Grund und Boden), Beleihungen,
Sicherstellungen von Kindern früherer Ehen, Nachlassregelungen usw. Bei den
älteren Eintragungen findet man auch den Genehmigungsvermerk der
Grundherrschaft.
Im
Klartext heißt das, dass uns die Schöffenbücher in unserer Forschung einen
großen Schritt weiterbringen können, da Grundbesitz häufig an den Sohn, oder
zumindest Schwiegersohn, weiterverkauft wurde. Diese Kaufverträge mit Angabe des
genauen Standortes, des Beilass (=Zubehör), Kaufpreis und allen sonstigen
Bedingungen wie z. B. das „Ausgedinge“ für den Verkäufer lassen zudem die Familiengeschichte
lebendiger erscheinen.
Über
den Verbleib von Schöffenbüchern gibt es einige Informationen aus
Veröffentlichungen, die sich auf die schlesische Archivpflege beziehen. In den
30er Jahren des letzten Jahrhunderts hat man erkannt, dass die schlesische
Archivpflege im Gegensatz zu anderen deutschen Gebieten sehr zu wünschen übrig
ließ. Die in Angriff genommene Aufstellung aller im Staatsarchiv vorhandenen
Schöffenbücher wurde leider durch den 2. Weltkrieg gestoppt, aber es gibt ein
paar aussagekräftige Veröffentlichungen, denen wir den Stand vor 1945 entnehmen
können:
-
in vielen Gerichtsbezirken blieben die Schöffenbücher bei den Städten,
Gutsherrschaften oder Dorfgemeinden
- mehrere Tausend Schöffenbücher (1939 wird die Zahl auf ca. 4.000 Stück geschätzt) befanden sich im Breslauer Staatsarchiv,
viele davon wurden als Deposita (vom Besitzer unter Vorbehalt des Eigentumsrechts hinterlegte Archivalien) abgegeben
-
einige Dörfer mit überwiegend katholischer Bevölkerung haben ihre
Schöffenbücher dem Breslauer Diözesanarchiv übergeben
-
die Breslauer Staats- und Universitätsbibliothek hat eine kleine Anzahl von
Schöffenbüchern durch Kauf erworben
-
andere Schöffenbücher befanden sich aufgrund mangelnder gesetzlicher
Vorschriften bei privaten Sammlern, Heimatmuseen oder in Pfarreien
-
ein nicht zu unterschätzender Teil der Schöffenbücher ist vernichtet worden
(durch Brände, falsche Lagerung, usw.)
Sollten
für einen Ort absolut keine Schöffenbücher zu ermitteln sein, könnte es sich
bei dem Ort um Klosterbesitz handeln, und somit sind alle derartigen
Aufzeichnungen in den Unterlagen des betreffenden Klosters zu suchen.
Kataster:
Kataster
werden auch Bekenntnis-, Fassions- oder Prästationstabellen genannt. Die ältesten, schlesischen
Kataster stammen aus den Jahren 1721-1725. Ihr Zweck war die Ermittlung des Steuerwertes,
denn in diesen Vordrucken mussten die Herrschaften und Untertanen gesondert
ihre „Steuererklärung“ abgeben - somit enthalten die Kataster alle Besitzer /
Haushaltsvorstände in der Reihenfolge der Hausnummern. Diese Erklärungen wurden
vom Schulzen und zwei Schöffen unterschrieben und mit dem Dorfsiegel
untersiegelt.
Friedrich
der Große hat nach seiner Besitzergreifung Schlesiens im Jahr 1743 eine
Revision der Kataster durchgeführt, die allerdings kaum Änderungen brachte; in
späteren Revisionsprotokollen sind oftmals auch die späteren Besitzer
angegeben.
In
einer Veröffentlichung aus den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts heißt es,
dass sich diese viele hundert Bände umfassenden Kataster fast lückenlos im
Breslauer Staatsarchiv befänden. Zweitschriften gab es in den entsprechenden
Orten, bei den Landratsämtern oder auch bereits im Staatsarchiv.
Land- und Lagerbücher der
Fürstentümer:
Hierbei
handelt es sich um Abschriften oder Inhaltsangaben der Urkunden über
Belehnungen, Käufe, Verkäufe, Erbteilungen usw. der größeren Güter, also
Rittergüter, Erbscholtiseien usw., die vor einem
Gericht erfolgten.
Für
die Erbfürstentümer Schweidnitz-Jauer waren diese
(vor 1945) ab 1366 im Breslauer Staatsarchiv erhalten.
Hypothekenbücher:
Hypothekenbücher
hatten dieselbe Aufgabe wie die Grundbücher und sind als deren Vorgänger
anzusehen; sie wurden als Nachfolger der Landbücher 1742 von Friedrich dem
Großen eingeführt. Da dieser Anordnung nicht überall Folge geleistet wurde,
erließ er am 04.08.1750 eine weitere Anordnung, doch erst aufgrund der
„Allgemeinen Hypotheken-Ordnung für die gesammten Königl. Staaten“ vom 20.12.1783 wurden die Hypothekenbücher
wahrscheinlich überall angelegt.
Die
Hypothekenbücher befanden sich vor 1945 teilweise noch
bei den Amtsgerichten, aber der größte Teil (ca. 2.000 Bände) bereits im
Breslauer Staatsarchiv.
Grundbuch:
Eingeführt
in Preußen durch das Gesetz vom 05.05.1872 reichen sie in der Regel bis in die
erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück. Es wird ergänzt durch die Grundakten
und bei der Grundbuchabteilung der Amtsgerichte geführt. Die Aufzeichnungen
wurden für jeden Ort geführt und innerhalb der Orte für jedes Grundstück
(=Grundbuchblatt) gesondert.
Vor
1945 müssten sie sich ausnahmslos bei den Amtsgerichten befunden haben, da die
„Vorschriften über die Ablieferung der Akten an die Staatsarchive“ vom
31.12.1927 vorsehen, dass Grundbücher und Grundakten frühestens 80 Jahre nach
der letzten Eintragung an die Staatsarchive abgegeben werden wollten.
Schulakten:
Sie
reichten zu einem nicht unerheblichen Teil bis in die Anfänge der preußischen
Verwaltung zurück und enthalten nicht nur rein verwaltungsmäßige Angaben,
sondern auch Listen der Schulkinder, Eingaben der zur Kostenaufbringung
Verpflichteten usw.
Die
älteren Schulakten befanden sich vor 1945 bereits in vielen Tausend Bänden im
Breslauer Staatsarchiv, der Rest bei den Regierungen und Landratsämtern, wo
Akten über die einzelnen Schulen geführt wurden. Wenn das betreffende Dorf zu
einer Domäne gehörte, können sich Schulakten auch in den Beständen der
landwirtschaftlichen Abteilung der Regierung befunden haben.
In
Schulchroniken können außer den Angaben über Bauten und Reparaturen und
dergleichen auch Personalnotizen gemacht worden sein.
sonstige Quellen:
Aufzeichnungen der Einwohnermelde- und Standesämter, Stammrollen, Testamente, Listen über Volkszählungen
Ortsakten des Breslauer Staatsarchivs, darin u. a. Zeugenaussagen in Prozessen, Zinsregister, Rechnungen, Grenzstreitigkeiten
Landesrentenbank:
Auf Grund des
Rentenbankgesetzes vom 2. März 1850 wurden die Verpflichtungen der Bauern
aufgehoben und die Grundherrschaft erhielt dafür eine Kapitalentschädigung. Die
Abgabeverpflichteten übernahmen gegen Erlass der auf ihren Grundstücken für die
Berechtigten eingetragenen Leistungen die Zahlung einer festgesetzten Rente,
die sie an die Rentenbank für Schlesien zu zahlen hatten.
Weitere Quellen, die aber für die bäuerliche Sippen- und Hofgeschichte weniger in Frage kommen, sondern vorwiegend den Adel und die Rittergüter betreffen, sind: Verreich-, Vertrags-, Konsensbücher, Abschiedsregister, Bücher über Lehnung Erbe, Missiven
Quellenangaben:
1. Quellen zur
bäuerlichen Sippen- und Hofgeschichte Schlesiens
Karl G.
Bruchmann
aus:
Schlesische Geschichtsblätter, 1936, Heft 1
2. Die
schlesischen Schöffenbücher und ihre Verzeichnung
Karl G.
Bruchmann
aus:
Schlesische Geschichtsblätter, 1939
3. Bäuerliche
Sippengeschichtsforschung
Staatsarchivrat
Dr. Karl G. Bruchmann, Breslau
aus: Der Sippenforscher,
18.10.1934
4. Schlesische
Urbare vom Ende des 18. Jahrhunderts
Gerhard Zoebe
aus:
Ostdeutsche Familienkunde, Band V = 1968-1970, S. 363-368
5. Wege zur
Ortsgeschichte, Ratschläge für schlesische Heimatforscher
Klemens
Lorenz
aus: Schlesische
Geschichtsblätter, 1931, Nr. 1